Monday, 16. December 2013
Ich gucke ganz gerne die Tagesschau. Regelmäßig, wenn nicht immer, kommt vor der Sendung ein Werbefilm für einen Diätdrink namens Almased. Ich weiß das so genau, weil mich der Spot jedesmal anwidert. Ich bin der Ansicht, dass die Hersteller solcher Produkte — es gibt weitere, wie das durch die Werbespots mit Harry Wijnvoord bekannt gewordene Slim-Fast — nur die Schwäche der Menschen ausnutzen, um etwas zu verkaufen, was niemandem hilft. Wenn das Übergewicht genetisch oder durch Krankheit bedingt ist, muss ein Arzt helfen. Wer sonst sein Gewicht dauerhaft senken will, muss seine Ernährung umstellen. Das erfordert Wissen und Disziplin. Zumindest für den, der sich nicht lebenslang von Getränkepulver ernähren will, sollten diese Produkte nicht in Frage kommen. Es mag sein, dass die Hersteller mit der Inbrunst der Überzeugung behaupten, dass diese Getränke beim Abnehmen helfen. Ich persönlich aber denke, dass sie sich an die Unwissenden und Verzweifelten richten. Ich sag's mal so: Wir alle wissen, dass das Jo-Jo kurz vor der Bikini- und Badehosensaison wieder die Handfläche erreicht hat.
Wie auch immer, gestern habe ich die „Heute“-Nachrichten im ZDF eingeschaltet, weil mich die neue Besetzung des Bundeskabinetts interessierte. Es war Sonntag, so dass die öffentlich-rechtlichen Sender keine Werbung senden durften. Vor der Sendung und dem Hinweis auf die Initiative „Schau hin“ lief noch ein Programmhinweis. Der war unterlegt mit dem Song „Everybody“ von Ingrid Michaelson. Das ist übrigens die gleiche Musik, die im Almased-Werbespot verwendet wird. Im gleichen Kontext direkt vor den Nachrichten. Zufälle gibt's …
Ein weiterer Zufall: Den Artikel habe ich größtenteils gestern verfasst, heute hat „Spiegel Online“ einen Artikel dazu.
Saturday, 28. September 2013
Eben in einem Bericht in der Tagesschau über die Verhaftung einiger Mitglieder der griechischen, rechtsextremen Partei Goldene Morgerröte zitiert der Sprecher folgende Passage aus einer Äußerung des Justizministers explizit wörtlich:
Jeder, der schuldig ist, wird ein faires Verfahren bekommen.
„Und die anderen?“, möchte man fragen, und bleibt zurück mit einem flauen Gefühl im Magen, ohne zu wissen, womit man es eigentlich zu tun hat: mit einem sprachlich inkompetenten Justizminister, mit einem Staat, der seine rechtsstaatliche Grundlage schon so weit eingebüßt hat, dass man so etwas ernsthaft vertreten kann, oder mit einem überaufmerksamen Reporter.
Thursday, 2. May 2013
Gestern bei Markus Lanz hat Mario Basler sich darüber mokiert, dass im Netz über die Fußballer gepöbelt werde,
unter anderem wegen der Gehälter. Lanz
zitiert bezüglich des Wechsels von Götze sinngemäß (Lanz) Günther Jauch (etwa ab 53:30): „Solange jemand
anderer mit denen immer noch mehr verdient, als das, was der Verein dafür
bezahlt, ist das auch in Ordnung, das ist Marktwirtschaft.“ Das blieb
unwidersprochen. Jauch und in seinem Windschatten Lanz nehmen hier wieder einmal den Markt als moralische
Grundlage für die auseinanderklaffende Einkommensschere her. Dabei funktioniert die
Argumentation doch nur umgekehrt: Die Gerechtigkeit ist der Wert, und die Marktwirtschaft dient als Werkzeug, um sie herzustellen.
Wenn die Einkommen als ungerecht wahrgenommen werden, ist doch zu fragen, ob
die Marktwirtschaft in der Form, wie sie derzeit ausgestaltet ist, als Werkzeug taugt. Damit mich auch Basler versteht: Wenn zu viel gefoult wird, weil eben die Regeln das zulassen, kann man nicht einfach behaupten, Fouls wären korrekt. Man sollte zusehen, dass man die Regeln verschärft.
Uli Höneß hat auf der Jahreshauptversammlung seines Vereins 2007 ein schönes Schlaglicht auf Sicht der Vereine geworfen. Hier geht es um die andere Seite, nicht um den Mitarbeiter, sondern um den Kunden:
[...] dass wir dieses Stadion hingestellt haben. Aber das hat 340 Millionen Euro gekostet, und das ist nun mal mit sieben Euro in der Südkurve nicht zu finanzieren.
Ich hätte da eine Idee …
Thursday, 25. October 2012
Der Bundesrechnungshof verlangt von der Bundesbank, dass sie die im Ausland gelagerten Goldbestände überprüfe. Nun fängt die Journaille an, sich darüber zu moquieren. Da wird kühn der Goldstandard in die Geschichtsbücher verbannt und über deutsche Befindlichkeiten lamentiert. Nein, auch ich denke nicht, dass wir vom Gold satt werden, wenn es mal ganz dicke kommt, und ich sehen auch keinen Sinn darin, den Goldstandard wieder einzuführen. Bretton Woods ist gescheitert. Mir will es aber andererseits auch nicht einleuchten, wie ein wenig Golddeckung einer Währung schaden sollen. Außerdem geht es um so viel Kohle, dass wir damit fast eine Hypo Real Estate retten könnten. Noch etwas spricht dafür, mal nachzugucken. Wenn man sich nach langer, langer Zeit noch erinnert, wem man ein bestimmtes Buch geliehen hat, verlangt man es vielleicht doch nicht zurück. Vielleicht nur, weil man dem anderen nicht zumuten will, im Keller ganz unten im hintersten Umzugskarton nachzuschauen. Oder, weil man nicht mehr mit der Existenz des Buches rechnet. Dabei geht es dann aber nur um ein Buch, und nicht um ein halbes Volksmonatseinkommen. Spricht etwas dagegen, wenn der Bundesrechnungshof seiner Aufgabe nachkommt? Oder sehen die Herren Wirtschaftsexperten im Controlling ihrer Verlagshäuser auch nur kleinkarierte Spielverderber?
Ehrlichs Vergleich des Goldes mit dem Geld auf einem Konto hinkt übrigens auch ganz gewaltig. Das Gold ist nämlich teils sogar gegen Gebühr deponiert. Auf eine Einlage auf einem Konto dagegen gibt es Zinsen. Sehen wir es doch mal so: Wäre das Geld weg, würden wir uns in Zukunft wenigstens diese Gebühr sparen. Oder ist auch das egal, weil man Geld nicht essen kann? Um den Vergleich dennoch zu bemühen: Ich befürworte einen Realitätscheck. Meine Kontoauszüge muss ich auch regelmäßig kontrollieren, um sicherzustellen, dass nicht eine Räuberbande per Lastschrift alles leergeräumt hat.
Friday, 21. September 2012
„tagesschau.de“ titelt: „Anti-westliche Proteste: Außerhalb Pakistans bleibt es weitgehend ruhig“. Bei „Spiegel online“ heißt es: „Proteste gegen Mohammed-Film: 'Tag der Liebe für den Propheten' mündet in blutige Gewalt“. Wer ist denn hier auf Krawall gebürstet?
Übrigens: Der letzte Satz der Einleitung bei „Spiegel online“ beginnt mit „doch“.
Friday, 27. July 2012
„Focus online“ berichtet, die Kioske stürben langsam aus, und lässt einen Kioskbetreiber die Überlebenschancen seines Geschäfts mit der Worten bewerten: „Wir haben keine Antworten hier.“ Das klingt dramatisch. Autor Johannes Schmitt-Tegge hat es mit dem Artikel „langsam“ schon besser getroffen, falls dieser nicht ohnehin von der DPA stammt, die als weitere Quelle angegeben ist. Glaubt man nämlich seinen Zahlen, muss man sich Fragen, warum er überhaupt berichtet. Bliebe es nämlich ausgehend vom heutigen Bestand von 24.730 Läden bei einem Rückgang von 200 Stück im Jahr, dann würde erst in mehr als 120 Jahren der letzte Kiosk schließen. Nach 150 Jahren, die Kioske nach Angaben von „Focus online“ unsere Städte bereichert haben, wäre also ungefähr Halbzeit für diese Form des Einzelhandels.
Bevor unsere Journaille sich jetzt aufgrund meiner Zahlenspiele aufgefordert fühlt, zu melden, der letzte Kiosk in Deutschland schließe im März 2125, möchte ich den Hinweis nicht unterlassen, dass nicht auszuschließen ist, dass etwa eine gesellschaftliche Entwicklung oder ein neues Marktgleichgewicht die Entwicklung bremst oder gar stoppt oder dass zwischenzeitlich der steigende Meeresspiegel ein Drittel der der Läden vor die Küste verlegt. Die Berechnungen sollen allein den Nachrichtenwert des von „Focus online“ verbreiteten Artikels dokumentieren.
Ein recht sicheres Zeichen für eine Nullnachricht ist übrigens, dass der letzte Satz der Einleitung mit „doch“ beginnt. Um Spannung zu erzeugen, versucht der Redakteur damit einen Kontrast vorzugaukeln oder zu überzeichnen, den die Meldung selbst nicht hergibt. Hier hört man also am besten auf zu lesen. Weitere Signalwörter an dieser Stelle sind „ausgerechnet“ und „trotzdem“. Viel Spaß beim Überprüfen!
Friday, 22. June 2012
„Spiegel online“ spekuliert aufs Neue über die Aufstellung der Fußballnationalmannschaft. Dabei ist das Sturmgeschütz des Mannschaftssports unentschlossen, wie ernst es die Agenturmeldungen nehmen soll. Während im Anreißer ein scharfer Indikativ verwendet wird, reicht es in der Bildunterschrift nämlich gerade noch für ein „womöglich“. Das ist mehr als Gerechtfertigt, wird doch als Quelle neben der „Sport-Bild“ die „Bild“ genannt. Wenigstens weiß man in der Redaktion, dass die Aufstellungen erst 75 Minuten vor Spielbeginn veröffentlicht werden, also um 19:30 Uhr. In 75 Minuten wissen wir also mehr. Wer möchte wetten?
Nachtrag 24.06.: Es gab wohl einen Maulwurf.
Sunday, 17. June 2012
Gerade schrieb Mike Glindmeier im „Spiegel online“-EM-Liveticker:
Zur Aufstellung: Jogi Löw geht - wer hätte es anders erwartet - kein Risiko ein.
Die eingeschobene Frage ist leicht beantwortet: Der Kollege Peter Ahrens vorgestern.
Wednesday, 12. October 2011
„Klappt der Solidarausgleich doch? Statistiken belegen zumindest, dass Menschen mit Top-Gehältern den Finanzämtern ordentlich Einnahmen bringen.“ schreibt „Spiegel Online“ und lässt die Frage offen. Der Titel „Topverdiener zahlen ein Viertel der Lohnsteuer“ und der einführende Satz: „Wenige zahlen für die Masse mit“ legen jedenfalls nahe, dass der Spiegel das bejahen würde.
Nehmen wir 10 Bürger, die 10.000, 20.000 usw. bis 100.000 Euro verdienen. Als Steuersystem nehmen wir eine Flat-Tax von 10 % an, das heißt, dass jeder den gleichen Steuersatz bezahlt. Es gibt keine Freibeträge. Das Steuersystem wäre dann extrem einfach, aber auch wenig solidarisch. Dann würden 10 % der Menschen 100.000 von 550.000 Euro Einkommen erzielen, also etwa 18 %, und auch etwa 18 % der Steuer zahlen, nämlich 10.000 von 55.000 Euro. Es liegt also in der Natur der Sache einer prozentualen Steuer, dass Gutverdienender einen höheren Anteil tragen. Nehmen wir das gleiche System mit 100 Personen: eine verdient 250.000 Euro, alle anderen 7575,76 Euro. Dann beträgt das Gesamtsteueraufkommen etwa 100.000 Euro und 1 % der Steuerzahlen zahlen 25 % der Steuer. Dummerweise entfallen aber gleichzeitig 25 % des Einkommens auf 1% der Steuerzahler.
Ursache für die so fair wirkenden Zahlen kann also auch eine krasse Ungleichverteilung der Einkommen sein, einer scheinbaren Gerechtigkeit kann also eine schreiende Ungerechtigkeit zugrunde liegen. Die Angabe, dass nur 1 % der Steuerzahler über 172.000 Euro verdienen, deutet darauf hin, dass es genau so ist. Zahlen, die die Verhältnisse nachvollziehbar machen, nennt „Spiegel Online“ leider nicht.
Darüber hinaus bleibt der Artikel hinter der Dachzeile „Deutsches Abgabensystem“ zurück. Denn betrachtet man statt der Lohnsteuer das ganze Abgabensystem, dann sieht es wirklich übel aus. Während im Bereich der Lohnsteuer noch Progression angewendet wird, der Spitzensteuersatz beträgt 45 % plus Soli, gibt es für Kapitaleinkünfte eine Flat-Tax von 25 % plus Soli. Wer ohne sich krumm zu machen Geld mit seinem vielen Geld verdient, wird also steuerlich bevorzugt. In den Sozialsystemen haben wir zudem Beitragsbemessungsgrenzen. Die deutschen Sozialversicherungen funktionieren wie die unsolidarische Flat-Tax, nur dass die Beiträge gedeckelt werden. Das Verfahren ist also noch einmal unsolidarischer. Beide Abgaben sind übrigens alles andere als unerheblich.
Auch wenn der Artikel aus Agenturmeldungen zusammengestrickt ist, denke ich, „Spiegel Online“ gut daran getan hat, die eingangs genannte Frage unbeantwortet zu lassen. Sie zu beantworten, hätte es ja eigener Recherche und einer Bewertung bedurft.
Update 16.10.2011: Ich habe Zahlen. In den „Tagesthemen“ vom 15. Oktober 2011 sagt der Soziologe Michael Hartmann, dass sich 36 % des Vermögens auf 1% der Bevölkerung konzentrieren würden. Nun lassen sich Einkommen und Vermögen nicht direkt vergleichen, aber die Werte sind erschütternd. Ich betone noch einmal, dass sich die Zahlen des „Spiegels“ auf Arbeitseinkommen beziehen. Kapitalerträge werden für Wohlhabende günstiger behandelt. Und eine Vermögenssteuer wird seit 1997 in Deutschland nicht mehr erhoben.
|