Saturday, 28. September 2013
Eben in einem Bericht in der Tagesschau über die Verhaftung einiger Mitglieder der griechischen, rechtsextremen Partei Goldene Morgerröte zitiert der Sprecher folgende Passage aus einer Äußerung des Justizministers explizit wörtlich:
Jeder, der schuldig ist, wird ein faires Verfahren bekommen.
„Und die anderen?“, möchte man fragen, und bleibt zurück mit einem flauen Gefühl im Magen, ohne zu wissen, womit man es eigentlich zu tun hat: mit einem sprachlich inkompetenten Justizminister, mit einem Staat, der seine rechtsstaatliche Grundlage schon so weit eingebüßt hat, dass man so etwas ernsthaft vertreten kann, oder mit einem überaufmerksamen Reporter.
Tuesday, 24. September 2013
Laut Wiktionary ist Verantwortung die „(Selbst-)Verpflichtung für eine Sache oder Person; Bereitschaft, für seine Handlungen einzustehen“. Kurz nach der Bundestagswahl sind die Medien voll mit Nachrichten, dass Politiker Verantwortung übernähmen. Irritierenderweise sind diese unter anderem Mitglieder der FDP, also einer Partei, die ja nicht einmal Sitze im Bundestag gewonnen hat. Die Irritation klärt sich, wenn man „Verantwortung übernehmen“ als Euphemismus für „die Schuld auf sich nehmen“ versteht, was in der Konsequenz heißt, dass die Politiker für ihre Handlungen einstehen, weil sie gerade die Verantwortung tragen, zurücktreten und die Verantwortung wie einen Staffelstab an einen Nachfolger abgeben.
Man mag mich spitzfindig nennen. Aber ich bin ja auch noch nicht fertig. Die Betrachtung wirft ein interessantes Schlaglicht auf darauf, wie Verantwortung in der Politik verstanden wird. Deutlich wird das, wenn man den Gebrauch des Begriffs in einen anderen Zusammenhang bringt. Man stelle sich einmal vor, Eltern übernähmen Verantwortung, indem sie nach einer gescheiterten Erziehungsmaßnahme ihr Kind zur Adoption freigeben. Oder man denke an einen Angestellten, der Mist gebaut hat und nun mit den Worten „ich übernehme die Verantwortung für den Vorfall“ seinem Chef die Kündigung überreicht. Auch schön: der Kellner, der einen Gast mit Suppe übergießt, mit den Worten: „Ich übernehme die Verantwortung“ den Kittel abstreift und Feierabend macht.
Monday, 1. July 2013
Edward Snowden, wo er sich aufhält, welche Staaten ihm Asyl gewähren könnten, die SMs der Kanzlerin, die Wanzen in Gebäuden der EU, diplomatische Spannungen, das Freihandelsabkommen, Zahlen: 500 Mio. E-Mails, SMs oder Chats, in Frankreich viel weniger, das Fluggastdatenabkommen, China hat alles richtig gemacht, Putin steht vor einer schwierigen Entscheidung, aber eine Frage wird nicht gestellt: Wann hört das auf? Wann wird diese Totalüberwachung heruntergefahren?
Thursday, 2. May 2013
Gestern bei Markus Lanz hat Mario Basler sich darüber mokiert, dass im Netz über die Fußballer gepöbelt werde,
unter anderem wegen der Gehälter. Lanz
zitiert bezüglich des Wechsels von Götze sinngemäß (Lanz) Günther Jauch (etwa ab 53:30): „Solange jemand
anderer mit denen immer noch mehr verdient, als das, was der Verein dafür
bezahlt, ist das auch in Ordnung, das ist Marktwirtschaft.“ Das blieb
unwidersprochen. Jauch und in seinem Windschatten Lanz nehmen hier wieder einmal den Markt als moralische
Grundlage für die auseinanderklaffende Einkommensschere her. Dabei funktioniert die
Argumentation doch nur umgekehrt: Die Gerechtigkeit ist der Wert, und die Marktwirtschaft dient als Werkzeug, um sie herzustellen.
Wenn die Einkommen als ungerecht wahrgenommen werden, ist doch zu fragen, ob
die Marktwirtschaft in der Form, wie sie derzeit ausgestaltet ist, als Werkzeug taugt. Damit mich auch Basler versteht: Wenn zu viel gefoult wird, weil eben die Regeln das zulassen, kann man nicht einfach behaupten, Fouls wären korrekt. Man sollte zusehen, dass man die Regeln verschärft.
Uli Höneß hat auf der Jahreshauptversammlung seines Vereins 2007 ein schönes Schlaglicht auf Sicht der Vereine geworfen. Hier geht es um die andere Seite, nicht um den Mitarbeiter, sondern um den Kunden:
[...] dass wir dieses Stadion hingestellt haben. Aber das hat 340 Millionen Euro gekostet, und das ist nun mal mit sieben Euro in der Südkurve nicht zu finanzieren.
Ich hätte da eine Idee …
Sunday, 16. December 2012
Um an etwas Ausgangsstoff für düstere Texte zu kommen, habe ich heute mal auf Ebay geguckt, ob ich nicht günstig eine Bibel schießen kann. Meine oberflächliche Bibelkenntnis sah ich vollends infrage gestellt, als ich las: „Die Bibel 1 Gebot“.
Nach einer Sekunde der Irritation fanden meine Gedanken wieder in die Spur und synthetisierten eine Erkenntnis: Ebay hat wohl auch recht, die meisten sind ja Verbote. Schon vor 500 Jahren wusste man also, Euphemismen zu verwenden.
Nachtrag: Die Zahl 2000 in 500 korrigiert. Im Hebräischen geht es nicht um die Gebote, sondern um die Worte Gottes.
Tuesday, 26. June 2012
Das Hilfspaket ist geschnürt, und Moody's fällt nicht besseres ein, als die spanischen Banken herabzustufen. Aufgabe der Ratingagenturen ist es eigentlich, das Kreditausfallrisiko zu bewerten. Das dürfte durch die Finanzhilfen eigentlich gesunken sein. Die Herabstufung ließe sich für mich nur auf zwei Weisen erklären: Moody's wusste gar nicht, dass die spanischen Banken klamm sind. Das allerdings würde die Qualität des Urteils durch die Ratingagentur doch arg in Zweifel ziehen. Oder Moody's Bewertungen beruhen auf so plumpen Kriterien, dass sie das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt sind. In keinem der Fälle jedenfalls erscheint es vernünftig, dass Ratings in die Bilanzen der kreditgebenden Banken einfließen – und das ist zur Zeit gesetzlich vorgeschrieben, wenn die Bank nicht für viel Geld ein internes Rating erstellt.
Friday, 30. March 2012
Nein, es ist der FDP sicher nicht vorzuwerfen, wenn sie sich da hinstellt, wo man sie erwartet, und eine Auffanggesellschaft für die Schlecker-Mitarbeiter ablehnt. Dennoch hat sie sich an den Gesprächen über die Finanzierung beteiligt. Nun klingen die Protagonisten so, als hätte eine Auffanggesellschaft niemals ernsthaft zur Debatte gestanden. Bemerkenswert ist hier weniger die Position als der politische Stil. Idealerweise geht man im Konflikt in eine Debatte hinein und kommt mit einem Konsens heraus. Hier war es umgekehrt. Die FDP hätte sich, wenn man ihre jetzt dargestellte Entschiedenheit der Ablehnung ernst nehmen darf, niemals mit an den Tisch setzten sollen. Ernst nehmen sollte man die Entscheidung der FDP nicht. Man weiß doch, dass ihr das Ergebnis aus dem Saarland in den Knochen sitzt. Die FDP steht inzwischen so mit dem Rücken an der Wand wie ein von der Polizei umstellter Bankräuber: Man muss jederzeit damit rechnen, dass er ohne erkennbare Vorankündigung die Knarre zieht und abdrückt.
Es ist nur zu hoffen, dass der Wähler der FDP ihre Unberechenbarkeit nicht als Haltung auslegt. Denn letztere ist hier nicht zu erkennen. Die FDP geht nämlich auch in der Argumentation in die Irre. Es ging hier nicht um Hilfe für Schlecker, sondern um eine soziale Maßnahme für die Mitarbeiter. Die Insolvenz ist schon eingetreten, die Filialen sind geschlossen. Begriffe wie „Ordnungspolitik“ und „Wettbewerb“ gehen an der Sache vorbei. Aber damit kann man sich halt als Retter des Steuerzahlers vor den gierigen Krallen der Unternehmen aufspielen. Die FDP scheint ernsthaft zu hoffen, damit wieder an Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.
„Gleiches Recht für alle, keine Sonderalimentierung für Mitarbeiter von Großunternehmen“, das hätte ich verstanden. Ob ich dem zustimme, ist eine andere Frage. Aber hey, es hat ja keiner gefragt.
Monday, 6. February 2012
Dass Politiker gelegentlich hohle Phrasen von sich geben oder auch mal proaktiv deutlich machen, dass sie die Bodenhaftung gänzlich verloren haben, sind wir ja gewöhnt. Merkel uns heute ein ganz besonders kompaktes Stück Irrsinn geliefert: „Wir weigern uns, die Pleite Griechenlands anzuerkennen.“ Das könnte im Geiste europäischer Solidarität heißen: Wir werden nicht zulassen, dass Griechenland pleite geht. Oder im Sinne von Russisch Inkasso (oder der „Bild“-Zeitung): Egal ob Griechenland pleite ist, es wird zahlen.
Viel wahrscheinlicher ist aber eine andere Variante. Griechenland ist pleite, Merkel weiß es, verdrängt aber die Realität. Und das tut sie so effektiv, dass sie nicht einmal merkt, wenn sie das offen zur Schau stellt. Das ist konsequent. Auf Verdrängung fußte schon die Idee des freiwilligen Schuldenschnitts, bei dem die Banken vor Freude jauchzend auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Durch die Freiwilligkeit sollte verhindert werden, dass ein Kreditereignis, also die formale Pleite eintritt. Den kleinen, realitätsentstellenden Winkelzug haben damals leider gerade diejenigen bemerkt, denen der Bluff galt.
Vielleicht ist Merkel aber auch ein Genie, das in einem Satz den Griechen Solidarität, dem deutschen Steuerzahler die Schonung seines Geldbeutels und den Finanzmärkten die Rückzahlung der Kredite versprechen kann, um so die Märkte und das politische Klima zu beruhigen. Mich beruhigt das eher nicht. Trotzdem hoffe ich, dass ich ihr das jetzt nicht kaputt gemacht habe und drücke ganz fest die Daumen.
An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich meinen Leser grüßen.
Friday, 23. December 2011
Auf Zeit online ist seit 2009 ein sehr informativer Artikel über die Asse zu lesen. Der schließt mit folgenden Worten:
Die Grundwässer bei der Asse gehören zum Einzugsbereich der Weser, Hydrologen vermuten auch Verbindungen zur Elbe. Das Ende der Asse würde weit über die Region hinaus strahlen.
Es gab also gute Gründe, sich Gedanken darüber zu machen, ob man den Atommüll da nicht besser wieder herausholt. Wie es aussieht, ist es dafür aber wohl zu spät. Der in der HAZ zitierte Experte mein wohl „Einsturz wegen Wassereinbruchs“ oder zumindest eine weitgehende Destabilisierung, wenn er von einer „Sachlage“ spricht, die innerhalb des nächsten Jahres eintreten werde und die eine Rückholung des Mülls unverantwortbar machen würde. Bitter ist, dass alles danach aussieht, als werde die großflächige radioaktive Verstrahlung unseres Grundwassers zum unabwendbaren Schicksal. Wer Japans Hilflosigkeit bei der Nuklearkatastrophe von Fukushima gesehen hat, der kann Optimismus hier nur als Hochmut werten.
Bisher hatte das Hamburger Leitungswasser einen sehr guten Ruf.
Saturday, 19. November 2011
Des braunen Terrors wegen fordert er wieder die Vorratsdatenspeicherung. Man muss sich das einmal Vorstellen: Der Verfassungsschutz Thüringens hatte mehrere V-Leute im Umfeld Gruppe, man stand schon 1998 kurz vor der Verhaftung, hat das aber abgeblasen, man hat die Täter mehrmals untertauchen lassen. Über mehr als ein Jahrzehnt hat man die Leute gewähren lassen, hat sie mordend durchs Land ziehen lassen. Mindestens einmal war ein Verfassungsschützer quasi vor Ort, stand als Zeuge aber nicht zur Verfügung. Der Verfassungsschutz hat allem Anschein nach, ob aus Leichtsinn, Blindheit oder Absicht ist dabei fast egal, nationalsozialistische Propaganda und die Terroristen selbst finanziert. Man muss sich fragen, ob der Verfassungsschutz die rechtsextremistische Szene unterwandert hat oder ob es umgekehrt war.
Nun bedauert Bosbach in der Tagesschau, dass man die Telefon- und E-Maildaten der Täter vom letzten halben Jahr nicht zur Verfügung hätte und versucht erneut die Totalüberwachung der deutschen Bevölkerung schmackhaft zu machen. Als hätte man so die Morde verhindern können. Ich bin nicht sicher, ob das mit Vorratsdatenspeicherung besser hätte gelingen können, aber ich weiß sicher, wer ein Gelingen unter Garantie vereitelt hätte: solche Verfassungsschützer. Herr Bosbach, das Problem ist nicht die fehlende Vorratsdatenspeicherung.
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