Hansenet war geil. Heute kann man es sich kaum noch vorstellen, aber damals, als ich Kunde geworden bin, konnte sich das Unternehmen vor Lobhudelei kaum retten. 6 MBit! Flat! Anständige Vertragsbedingungen!
Kompetente Hotline! Es war sogar cool, dort Kunde zu sein, geradezu avantgardistisch. Der Laden wurde weiterempfohlen. Ein Telefonanbieter!
Es kam, wie es kommen musste. Der kleine Anbieter aus Hamburg wurde erfolgreich. Irgendwann kam die Einführung von SAP, möglicherweise die Ursache für die Probleme mit der Rechnungslegung. Nach der Übernahme des deutschen Zugangsgeschäfts von AOL und der Verschmelzung mit O2 unter dem Dach der spanischen Telefónica haben wir es nun mit einem Konzern zu tun, der verflucht wird wie jeder andere Telefonanbieter auch.
Heute hat mir O2 das Internet abgeklemmt. Ich gebe zu, es ist eine Lastschrift zurückgegangen. Die unvermeidliche Mahnung ist auf den 27.12. datiert. Ich habe mich nach meinem Ermessen zügig darum gekümmert, den Betrag auszugleichen. Das war gar nicht so einfach. Am 30.12. habe ich versucht, bei der Bundesfinanzagentur meine Tagesanleihen abzustoßen, die eh keine nennenswerten Zinsen bringen. Mein Auftrag wurde zunächst nicht angenommen, weil das werte System gerade damit befasst war, die Zinsen zu berechnen. So dauerte es bis zum sechsten Januar, bis ich überweisen konnte. Selbstverständlich inklusiv Rücklastschriftgebühr. Heute, am siebten, war abgeklemmt. Mein Anruf wurde direkt in eine Spezialabteilung geleitet, da man mit mir noch über die Rechnung sprechen wollte. Nun gut, das war genau mein Anliegen. Ich sagte, dass das Geld da sein müsse. Da ich mich ein wenig mit SEPA auseinandergesetzt habe, weiß ich, dass digital eingereichte Überweisungen inzwischen maximal einen Werktag dauern dürfen. Die Frau am anderen Ende der Leitung widersprach mir: ein bis drei Tage könne das dauern. Nun ja.
Eigentlich wollte ich gerade eine schnellere Leitung bestellen. Leider kann O2 die derzeit an meiner Adresse nicht zur Verfügung stellen. Und wenn, dann sowieso nur mit Drossel. Das kann ich gerade noch verschmerzen. Wenn ich abends bei der Hotline anrufe, und man mir sagt, dass es etwas größeres sei und dass die Behebung der Störung etwas länger dauere, kann ich das entschuldigen — wir sind alle nur Menschen. Aber ich finde, dieses drastische Vorgehen gegenüber einem Kunden, der seit über zehn Jahren treu ist, der seit 10 Jahren zahlt, sagt einiges über die Unternehmenskultur aus. O2 ist eiskalt. O2 verzeiht keine Fehler. Und O2 schert sich auch nicht. In der Mahnung klingt das so: „Auf den Zeitpunkt der Freischaltung haben wir leider keinen Einfluss.“ Das ist doch mal eine erhellende Selbsterkenntnis. Nach Zahlungseingang und interner Buchung genehmigt man sich bis zu 48 Stunden. Das Telefon sperrt O2 übrigens nicht. Man muss wissen, dass Telefongesellschaften Terminierungsentgelte zahlen müssen, wenn einer ihrer Kunden einen Mobilfunkanschluss eines anderen Anbieters anruft, hingegen vermutlich keine oder zumindest kaum Mehrkosten haben, wenn der Internetanschluss benutzt wird. Obendrein gibt es die Möglichkeit zu drosseln. Insgesamt sehe ich starke Indizien dafür, dass sich das Unternehmen durch die Sperrung gar nicht vor Kosten zu schützen versucht, die am Ende durch den Kunden nicht gedeckt werden, sondern dass es darum geht, zu drohen und zu strafen.
Es geht noch weiter. Das ganze Verfahren ist automatisiert. Der Mechanismus, der bewirkt, dass die Einwahl einige Zeit nach einer Rücklastschrift scheitert, wenn das Geld nicht eingeht, muss durch einen Programmierenden implementiert werden. Dieses Exemplar hat sich entschieden, Verbindungsversuche in feinster Mundart und im Duzton mit der Meldung zu quittieren: „Du kommst hier nit rein! 11“. Man beachte das dezent eingestreute Kulturgut. Indem es Häme in meine Protokolldatei schreibt, erlaubt es mir an Marketing und Inkasso vorbei einen tieferen Blick in das Unternehmen. Das nenne ich Augmented Reality.
Wenn Kabel Deutschland die Hardware bis übermorgen liefert, braucht O2 gar nicht wieder anzuklemmen. Ein Wermutstropfen dabei ist natürlich, dass, wie ich eben erfahren habe, Kabel Deutschland inzwischen zu Vodafone gehört und damit im Einflussbereich des britischen Geheimdienstes GCHQ liegt. Ich werde dem Anbieter dennoch eine Chance geben und sehe es mal als sportliche Herausforderung, meine Kenntnisse in digitaler Selbstverteidigung auszubauen.