Die FTD findet es richtig, dass Moody's Portugals Rating um vier Stufen absenkt, und kritisiert in ihrem Leitartikel diejenigen, die die Herabstufung ungerechtfertigt finden. Die Agenturen seien in der Finanzkrise gescholten worden, dass sie die Risiken zu spät erkannt hätten. Jetzt seien sie zu voreilig, da stimme doch etwas nicht.
Das Rating, von den Agenturen selbst als pure Meinungsäußerung abgetan (hier: Fitch, PDF, siehe zweite Seite), um sämtliche Haftungsrisiken zu vermeiden, sollte doch eigentlich dem Investor ein Bild davon vermitteln, wie hoch das Ausfallrisiko eines Gläubigers ist, damit der einen angemessenen Zins nehmen kann oder im schlimmsten Fall die Finger von einem Geschäft lässt.
Schauen wir auf Portugal, so ist festzustellen, dass sich die Lage für die Gläubiger entspannt hat. Es gibt ein Sparprogramm, und das Land ist unter den Rettungsschirm gekrochen. Das heißt, dass Europa jetzt für Portugal haftet. Man ahnt, wie das weitergehen wird. Selbst wenn sich Portugal als Fass ohne Boden erweisen sollte, wird Europa da nicht mehr aussteigen. Der Point of no Return ist mit dem ersten geflossenen Euro erreicht. Von da an läuft es scheibchenweise. Es wird immer günstiger aussehen, weiteres Geld nachzuschießen, als einen Schuldenschnitt bei den bereits gewährten Krediten hinzunehmen. Eine Herabstufung Portugals um vier(!) Stufen erscheint vor dem Hintergrund als völlig unsinnig. Als der portugiesische Haushalt aus dem Ruder lief, bevor klar war, dass Rettung naht, da hätten die Agenturen die Gläubiger warnen müssen. Moody's leistet sich stattdessen einen Treppenwitz. Die FTD fällt darauf herein und kritisiert die Kritiker.
Man wirft den Agenturen vor, sie wirkten prozyklisch und krisenverschärfend. Das ist richtig, bringt aber nicht ausreichend auf den Punkt, in welch katastrophalen Zustand die Branche ist. Ratings könnten nämlich sehr nützlich sein, wenn sie denn tatsächlich eine zuverlässige Auskunft über die langfristige Solvenz eines Gläubigers geben könnten. Sie haben aber eher die Funktion von Prangern auf den Finanzmärkten. Wer angeschlagen ist, auf den wird mit dem Finger gezeigt. Eine steuernde Funktion haben sie nicht. Die Agenturen schlagen erst Alarm, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, egal, ob die Eltern samt Feuerwehr schon am Rand stehen oder nicht. Und dieser Unsinn ist der allübergreifende Maßstab in unserem Finanzsystem. Am Rating wird das Eigentkapital von Banken gemessen, daran misst sich, worin Versicherer die Kundengelder anlegen dürfen, und selbst die EZB nimmt das Rating als Maßstab dafür, was sie als Sicherheit akzeptiert. Zur Krönung wird Kompetenz und Verantwortung an diese Experten outgesourct, die eigentlich nicht mehr als eine Meinung haben und keine Verantwortung übernehmen wollen. Welcher Landesbanker wird sich vorwerfen lassen, fahrlässig gehandelt zu haben, als er vor der Finanzkrise in den US-Immobilienmarkt investiert hat? Waren die Papiere nicht hervorragend geratet?
Die Ratingagenturen haben wohl recht, Buchstaben statt Zahlen zu liefern. Würden sie Zahlen liefern, beispielsweise über Wahrscheinlichkeitsklassen wie „Ausfallwahrscheinlichkeit in den nächsten zwei Jahren 1%“, wären sie schnell entlarvt. Die breite der Kluft zwischen Prognose und Realität ließe sich dann nämlich messen. Bevor sie Zahlen liefern und sich messen lassen, sollten wir Ratingagenturen nicht ernst nehmen.